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EU Court of Justice on students' visa. Photo by cuttingdynamics2017 on Pixabay

Luxembourg, 29 July 2024

Judgment of the Court in Case C-14/23 | Perle

Authorisation to reside on the territory of a Member State for the purposes of studies: a Member State may reject an abusive application for authorisation, even if it has not correctly transposed the directive that provides for that option

The prohibition of abusive practices is a general principle of EU law, the application of which is not subject to a requirement of transposition

In August 2020, a Cameroonian national made an application for a visa in order to study in Belgium. The Belgian State refused it on the ground that the study plan of the person concerned is inconsistent. It considered that her application is in fact aimed at purposes other than the pursuit of studies since she has no genuine intention to study in Belgium. The person concerned challenged that decision before the Conseil du contentieux des étrangers (Council for asylum and immigration proceedings) (Belgium) which rejected the action. In January 2021, she lodged an appeal before the Belgian Council of State.

The Belgian Council of State has made a reference to the Court of Justice in that regard. In its judgment, the Court holds that the directive on the conditions of entry and residence in the European Union for third-country nationals for the purposes of studies 1 does not preclude a Member State, from rejecting an application for admission to

its territory for study purposes where the third-country national has submitted that application without having a genuine intention of studying there, even when that Member State has not transposed the provision of the directive which permits such rejection. The prohibition of abusive practices is a general principle of EU law, the application of which is not subject to a requirement of transposition.

As regards the circumstances based on which it may be concluded that the application is abusive, the Court considers that such a conclusion must be based on an examination on a case-by-case basis, following an individual assessment of all the circumstances specific to each application. In that regard, the competent authorities must carry out all appropriate checks and request the evidence in order to carry out an individual assessment of the application, The Court notes that inconsistencies in an applicant’s planned studies may also constitute one of the objective circumstances contributing to a finding of an abusive practice, provided that those

inconsistencies are apparent and that they are assessed in the light of the particular case.

Finally, as regards a question linked to the right to an effective remedy, the Court considers that it does not preclude a national rule, under which the court hearing an application challenging the compatibility of an administrative decision with EU law only has jurisdiction to annul that decision without having the power to alter it. In order to ensure that right, it is sufficient that the administrative authorities are bound by the judgment of the court or tribunal concerned and that the adoption of a new decision can take place within a short period of time.

NOTE: A reference for a preliminary ruling allows the courts and tribunals of the Member States, in disputes which have been brought before them, to refer questions to the Court of Justice about the interpretation of EU law or the validity of an EU act. The Court of Justice does not decide the dispute itself. It is for the national court or tribunal to dispose of the case in accordance with the Court’s decision, which is similarly binding on other national courts or tribunals before which a similar issue is raised.

1 Directive (EU) 2016/801 of the European Parliament and of the Council of 11 May 2016 on the conditions of entry and residence of third-country nationals for the purposes of research, studies, training, voluntary service, pupil exchange schemes or educational projects and au pairing.

Unofficial document for media use, not binding on the Court of Justice. The full text and, as the case may be, an abstract of the judgment is published on the CURIA website on the day of delivery.

Source: 124/2024 : 29 July 2024 – Judgment of the Court of Justice in Case C-14/23

 


Deutsche Fassung:

Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-14/23 | Perle

Aufenthaltserlaubnis in der Europäischen Union zu Studienzwecken: Ein Mitgliedstaat kann einen missbräuchlichen Antrag ablehnen, auch wenn er die Richtlinie, in der diese Befugnis vorgesehen ist, nicht korrekt umgesetzt hat

Das Missbrauchsverbot ist ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der nicht erst umgesetzt werden muss, um angewandt werden zu können

Im August 2020 beantragte eine kamerunische Staatsangehörige ein Visum, um in Belgien zu studieren. Der belgische Staat lehnte ihren Antrag mit der Begründung ab, dass ihr Studienvorhaben unschlüssig sei. In Wirklichkeit diene ihr Antrag anderen Zwecken als der Absolvierung eines Studiums, da sie nicht tatsächlich beabsichtige, in Belgien zu studieren. Die junge Dame focht diese Entscheidung vor dem belgischen Rat für Ausländerstreitsachen an, der die Klage abwies. Im Januar 2021 rief sie den belgischen Staatsrat an.

Der belgische Staatsrat wandte sich mit Fragen hierzu an den Gerichtshof. In seinem Urteil entscheidet der Gerichtshof, dass die Richtlinie über die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen in der Europäischen Union u. a. zu Studienzwecken1 einen Mitgliedstaat nicht daran hindert, einen Antrag auf Zulassung in sein Hoheitsgebiet zu Studienzwecken abzulehnen, wenn der Drittstaatsangehörige diesen Antrag gestellt hat, ohne die tatsächliche Absicht zu haben, dort zu studieren. Dies gilt auch, wenn der betreffende Mitgliedstaat die Vorschrift der Richtlinie, die eine solche Ablehnung gestattet, nicht umgesetzt hat. Das Missbrauchsverbot ist nämlich ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der nicht erst umgesetzt werden muss, um angewandt werden zu können.

Was die Umstände anbelangt, aus denen auf die Missbräuchlichkeit des Antrags geschlossen werden kann, befindet der Gerichtshof, dass eine solche Schlussfolgerung auf einer Einzelfallprüfung beruhen muss, die eine individuelle Würdigung aller spezifischen Umstände des jeweiligen Antrags umfasst. Insoweit müssen die zuständigen Behörden alle geeigneten Überprüfungen vornehmen und die für eine individuelle Prüfung des Antrags erforderlichen Nachweise verlangen. Der Gerichtshof stellt klar, dass auch Unstimmigkeiten des Studienvorhabens des Antragstellers zu den Umständen gehören können, die dazu beitragen, dass ein Missbrauch festgestellt wird, sofern diese Unstimmigkeiten offensichtlich sind und im Licht der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.

In Bezug auf eine Frage zum Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf befindet der Gerichtshof schließlich, dass dieses Recht einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der das zuständige Gericht bei der Entscheidung über eine Klage, mit der die Vereinbarkeit einer Verwaltungsentscheidung mit dem Unionsrecht in Frage gestellt wird, lediglich befugt ist, diese Entscheidung für nichtig zu erklären, ohne sie abändern zu dürfen. Zur Wahrung dieses Rechts genügt es nämlich, wenn die Verwaltungsbehörden an das Urteil des betreffenden Gerichts gebunden sind und eine neue Entscheidung zeitnah ergehen kann.

HINWEIS: Mit einem Vorabentscheidungsersuchen haben die Gerichte der Mitgliedstaaten die Möglichkeit, dem Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsstreits, über den sie zu entscheiden haben, Fragen betreffend die Auslegung des Unionsrechts oder die Gültigkeit einer Handlung der Union vorzulegen. Der Gerichtshof entscheidet dabei nicht den beim nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit. Dieser ist unter Zugrundelegung der Entscheidung des Gerichtshofs vom nationalen Gericht zu entscheiden. Die Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, wenn diese über vergleichbare Fragen zu befinden haben.

1 Richtlinie (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nicht amtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Der Volltext und gegebenenfalls die Zusammenfassung des Urteils werden am Tag der Verkündung auf der Curia-Website veröffentlicht.

Quelle: 124/2024 : 29. Juli 2024 – Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-14/23

 

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