Mon. Sep 16th, 2024
illustratiom of swiss mountains and climate change
Climate change impact on Switzerland. Illustration by DALL-E - Prompt: IEU/jow

Strasbourg, 9 April 2024

The European Court of Human Rights (ECHR) has delivered Grand Chamber rulings in three climate change cases.

The case Verein KlimaSeniorinnen Schweiz and Others v. Switzerland concerned a complaint by four women and a Swiss association, Verein KlimaSeniorinnen Schweiz, whose members are concerned about the consequences of global warming on their living conditions and health. They consider that the Swiss authorities are not taking sufficient action to mitigate the effects of climate change. The Court found that the Convention encompasses a right to effective protection by the State authorities from the serious adverse effects of climate change on lives, health, well-being and quality of life. However, it held that the four individual applicants did not fulfil the victim-status criteria under Article 34 of the Convention and declared their complaints inadmissible. The applicant association, in contrast, had the right to bring a complaint. The Court held that there had been a violation of the right to respect for private and family life of the Convention and that there had been a violation of the right to access to the court. The Court found that the Swiss Confederation had failed to comply with its duties (“positive obligations”) under the Convention concerning climate change.

The case Carême v. France concerned a complaint by a former inhabitant and mayor of the municipality of Grande-Synthe, who submits that France has taken insufficient steps to prevent global warming and that this failure entails a violation of the right to life and the right to respect for private and family life. The Court declared inadmissible the application, on the ground that the applicant did not have victim status within the meaning of Article 34 of the Convention.

The case Duarte Agostinho and Others v. Portugal and 32 Others concerned the current and future severe effects of climate change, which the applicants attribute to the respondent States, and which they claim impact their lives, well-being, mental health and the peaceful enjoyment of their homes. As concerned the extraterritorial jurisdiction of the respondent States other than Portugal, the Court found that there were no grounds in the Convention for the extension of their extraterritorial jurisdiction in the manner requested by the applicants. Having regard to the fact that the applicants had not pursued any legal avenue in Portugal concerning their complaints, the applicants’ complaint against Portugal was also inadmissible for non-exhaustion of domestic remedies. The Court declared inadmissible the applications lodged against Portugal and the other States on the issue of climate change.

Source – ECHR

 


PIK Statement zu 3 Klimaklagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Verstoßen Staaten gegen die Menschenrechte von Bürgerinnen und Bürgern, wenn sie zu wenig gegen den Klimawandel tun? Mit dieser Frage hat sich heute der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) beschäftigt und in drei Fällen geurteilt. 

Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung PIK:

„Mit seiner jüngsten Rechtsprechung hat sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zur Kernfrage der internationalen Klimapolitik – der Frage nach der Verantwortung – geäußert. Dass das Gericht dem Verein der Schweizer KlimaSeniorinnen Recht gegeben und unzureichende Klimapolitik als menschenrechtsverletzend anerkannt hat, ist bahnbrechend. Dieses Urteil sollte auch andere Staaten an ihre internationalen Verpflichtungen erinnern: Wer sich Klimaziele setzt, ist dafür verantwortlich, diese einzuhalten. 

Klar ist aber auch, dass Europa das 1,5°C-Ziel alleine nicht halten kann und auch die Schweiz hier nicht alleine die Verantwortung trägt. Das Pariser Klimaabkommen legt globale Ziele, nicht aber verpflichtende Beiträge einzelner Staaten fest. Verantwortlich für die Bekämpfung des Klimawandels ist also die gesamte internationale Staatengemeinschaft – und vor allem sind es die Hauptemittenten. Es braucht daher bindende Mechanismen über Staatsgrenzen hinweg, um Kooperation zu ermöglichen. Ein gelungenes Beispiel dafür ist der Carbon Border Adjustment Mechanism der Europäischen Union, der für nicht-europäische Staaten monetäre Anreize zur Kooperation schafft. Das kann helfen, Kohlenstoffmärkte weiter auszubauen und international zu vernetzen.“

Johan Rockström, ebenfalls Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung PIK:

„Nach mehr als drei Jahren Gerichtsverfahren hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass ein Staat – in diesem Fall die Schweiz – es versäumt hat, angemessen auf die von Menschen verursachte Klimakrise zu reagieren und damit die Menschenrechte seiner Bürger verletzt. Bei diesen Urteilen geht es jedoch nicht nur um einen Staat: Es ist das erste Mal, dass sich ein internationales Gericht zum Klimawandel als Menschenrechtsfrage äußert. Das wird wichtige Auswirkungen für alle Politiker und Politikerinnen, insbesondere für die Regierenden haben.

Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen und Waldbrände bedrohen schon heute Menschenleben. Mit fortschreitendem Klimawandel nehmen diese Extremwetterereignisse zu. Künftige Generationen sind daher besonders vom Klimawandel bedroht. Regierungen müssen dringend Maßnahmen ergreifen, um Emissionen zu mindern und schwer vermeidbare CO2-Emissionen durch Negativemissionen auszugleichen. Je stärker wir das CO2-Budget für 1,5°C-Grad überschreiten, desto mehr CO2 muss darüber hinaus durch gezielte Entnahmen abgebaut werden. Klimaklagen können Druck auf Regierungen ausüben, ihre klimapolitischen Anstrengungen zu erhöhen, und damit diplomatische Verhandlungen voranbringen.“

Zum Hintergrund:

Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geklagt hatten der Schweizer Verein der KlimaSeniorinnen und seine Mitglieder, der ehemalige Bürgermeister der französischen Stadt Grande-Synthe Damien Carême sowie eine sechsköpfige Gruppe junger Portugiesinnen und Portugiesen im Alter von zwölf bis 24 Jahren. Die Beschwerden der KlimaSeniorinnen und Damien Carême richteten sich gegen ihre jeweiligen Heimatländer, die Schweiz und Frankreich. Im Falle der portugiesischen Jugendgruppe standen alle 27 Mitgliedsstaaten der EU sowie Großbritannien, Russland, die Türkei, Norwegen und die Schweiz auf der Anklagebank. Damit ist die Klage der Portugiesinnen und Portugiesen weltweit in Bezug auf die Beschwerdegegner die ‘größte’ bisher verhandelte Klimaklage. Ursprünglich richtete sie sich auch gegen die Ukraine. In Folge des russischen Angriffskrieges hatten die Jugendlichen die Klage gegen das Land jedoch zurückgezogen.

In allen drei Fällen beriefen sich die Klägerinnen und Kläger auf ihre Menschenrechte, die sie durch eine ungenügende Klimapolitik der angeklagten Staaten verletzt sahen. Konkret bezogen sie sich dabei auf das Recht auf Leben (Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention, EMRK) und das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Artikel 8 EMRK). Die portugiesischen Jugendlichen beriefen sich außerdem auf das Verbot unmenschlicher Behandlung (Artikel 3 EMRK) und das Verbot von Diskriminierung in der Anwendung von Rechten und Freiheiten (Artikel 14 EMRK). Die Staaten, so die Anklage, unternähmen nicht genug, um ihre Verpflichtungen unter dem Pariser Klimaabkommen einzuhalten und die Erderwärmung auf unter 2°C, möglichst auf 1,5°C zu begrenzen.

Source – PIK (via E-Mail)

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