Wed. Dec 25th, 2024

Heute hat das Europäische Parlament seine formale Zustimmung zur öffentlichen, länderbezogenen Steuerberichterstattung (“Trilog-Ergebnis“) gegeben. Nach langem politischen Ringen ist damit die letzte Hürde für diesen steuerpolitischen Fortschritt genommen. Für die Steuerberichterstattung von Großunternehmen bedeutet das in der Praxis: 18 Monate nach in Kraft treten der neuen Richtlinie müssen in Europa operierende Unternehmen mit einem konsolidierten Jahresumsatz von weltweit über 750 Millionen Euro in den letzten beiden aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren relevante steuerliche Informationen nach Ländern offenlegen (“Country-by-Country-Reporting”). Dies wird voraussichtlich Mitte 2023 der Fall sein.

Dazu sagt Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament:

“Die Einführung länderbezogener Steuerberichterstattung ist ein Durchbruch für mehr Steuergerechtigkeit. In Europa beginnt eine neue Ära der Steuertransparenz. Wir bekommen nun europäische, aber noch keine globale Transparenz über relevante Steuerdaten von Großunternehmen. Damit bringen wir Licht in die europäischen Steuerdaten von Großunternehmen, die Informationen aus anderen Regionen bleiben aber dunkel. Ziel muss es sein, dass alle steuerrelevanten Informationen von Großunternehmen weltweit beleuchtet werden. Aus dem europäischen Fortschritt muss nun ein globaler werden. Europa sollte dafür werben, dass möglichst viele Länder sich der länderbezogenen Steuerberichterstattung anschließen. Um dem Steuerdumping dem Garaus zu machen, brauchen wir eine möglichst große Zone der Steuertransparenz in der Welt.

Die länderbezogene Steuerberichterstattung ist ein scharfes Schwert gegen Steuerdumping. Sie wird offen legen, wie groß der Schaden durch Steuerdumping für die Allgemeinheit ist. Der fatale Zustand, dass innereuropäische Steueroasen ihren EU-Partnern die Steuergelder abgraben können, hat endlich ein Ende. Für die länderbezogene Steuerberichterstattung von Großunternehmen habe ich mich lange persönlich eingesetzt. Die Zivilgesellschaft und das Netzwerk Steuergerechtigkeit haben lange dafür gestritten. Wenn große Unternehmen ihre Gewinne und gezahlten Steuern pro Geschäftsland offenlegen müssen, wird Steuerdumping jedes Jahr für alle sichtbar. Damit führt aggressive Steuervermeidung für einzelne Unternehmen zu regelmäßigen Reputationsschäden. Außerdem wird die unsolidarische Steuerpolitik einzelner EU-Mitgliedstaaten transparent.

Der Beschluss ist ein Kompromiss, der Luft nach oben lässt. Der Rat hat sich geweigert, der weltweiten Aufschlüsselung von relevanten Steuerdaten zuzustimmen. Ziel muss es sein, dass alle steuerrelevanten Informationen von Großunternehmen weltweit öffentlich sind. Wer Wettbewerbsnachteile für seine Unternehmen fürchtet, sollte sich dafür einsetzen, dass das Country-by-Country Reporting im internationalen Rahmenwerk der OECD für alle öffentlich wird. Auch Investoren, die gemeinsam 2,9 Billionen Dollar verwalten, fordern öffentliches Country-by-Country Reporting. Um effizient zu sein, brauchen Märkte Informationen. Angesichts der Schäden der Coronakrise und der nötigen Investitionen in Klimaschutz, Infrastruktur und Bildung muss Steuerwettbewerb als das bezeichnet werden, was es ist: Steuerdumping, das eine Gefahr für das Gemeinwohl ist. Steuerkooperation ist in diesen Zeiten wichtiger denn je, um die bevorstehenden Herausforderungen in Europa und der Welt gemeinsam zu lösen.“

Hintergründe:

Welche steuerrelevanten Informationen müssen offengelegt werden?

Unter die Transparenzpflicht fallen anderem die Nettoumsätze und Gewinne des Unternehmens, die Anzahl der Mitarbeitenden sowie die gezahlten Ertragsteuern und nicht ausgeschütteten Gewinne. Diese Informationen müssen für jeden EU-Mitgliedstaat offengelegt werden. Damit wird transparent, ob Unternehmen Steuern zahlen, die dem Ausmaß ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten in einem Land entsprechen. Die Offenlegungspflicht gilt auch für Steueroasen, die auf der entsprechenden “schwarzen Liste” der EU sind, als auch für Staaten, die mindestens 2 Jahre hintereinander auf der sogenannten “grauen Liste der Steueroasen” stehen. Von dieser Regelung wäre derzeit bspw. die Türkei betroffen.

Ca. 80 Prozent der verlorenen Steuereinnahmen von Großunternehmen in der EU gehen auf europäische Steueroasen zurück, damit ist der Großteil der verlorenen Steuereinnahmen in der EU durch die Richtlinie abgedeckt: “About 80% of the profits shifted out of the European Union are shifted to the E.U. tax havens, primarily Ireland, Luxembourg, and the Netherlands, while the profits shifted out of the United States are primarily shifted to the non-E.U. havens.” https://gabriel-zucman.eu/files/TWZ2020.pdf pp. 30-31

Der lange Weg bis zum Durchbruch

Dieser Erfolg ist auch besonders ein Erfolg all derjenigen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die seit Jahrzehnten für mehr Steuertransparenz kämpfen. Als wir vor fast 20 Jahren das “Tax Justice Network” gründeten, war Steuertransparenz die Kernforderung in unserem Programm.

Wir Grünen im Europaparlament führen seit zehn Jahren eine Kampagne für länderbezogene Steuertransparenz von Großunternehmen. Direkt nach dem Ausbruch der Finanzkrise gelang uns länderbezogene Steuertransparenz weltweit für Banken durchzusetzen, die in Europa Geschäfte machen.

Das Europaparlament hatte bereits im Juli 2017 seine Verhandlungsposition zur länderbezogenen Steuerberichterstattung festgelegt, nach mehr als vier Jahren zähen Ringens um Mehrheiten im Rat ist der Gesetzestext nun endgültig verabschiedet. Die deutsche Bundesregierung hatte das Vorhaben im Rat lange blockiert.

Durchbruch beim öffentlichen Country-by-Country Reporting im Rat am 25. Februar: https://sven-giegold.de/durchbruch-fuer-mehr-steuergerechtigkeit/

Trilog-Einigung für länderbezogene Steuertransparenz von Unternehmen am 1. Juni: https://sven-giegold.de/einigung-laenderbezogene-steuertransparenz-von-unternehmen/

Am 28. September hat der Rat der Mitgliedsstaaten das Verhandlungsergebnis zwischen Mitgliedsländern, Europaparlament und EU-Kommission zur öffentlichen, länderbezogenen Steuerberichterstattung gebilligt (“Trilog-Ergebnis“). Schweden und Zypern stimmten dagegen, die Tschechische Republik, Irland, Luxemburg und Malta haben sich enthalten, was wie eine Ablehnung wirkt: https://sven-giegold.de/rat-billigt-laenderbezogene-steuerberichterstattung/

Source – Sven Giegold via e-Mail

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