Nach Verabschiedung der Urheberrechtsreform durch den Bundestag hat die Europäische Kommission ihren Leitfaden zur Anwendung von Artikel 17 der Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (CDSMD) veröffentlicht [2]. Artikel 17 fordert den Einsatz fehleranfälliger Uploadfilter. Entgegen ihrer Beteuerung vor dem Europäischen Gerichtshof im letzten Jahr versagt die Kommission beim effektiven Schutz der Nutzer:innenrechte.
Die lang erwartete Empfehlung zu Artikel 17 der Urheberrechtsrichtlinie bestätigt zwar im Grundsatz, dass die automatische Sperrung von Inhalten, die von Nutzer:innen hochgeladen werden, auf offensichtliche Urheberrechtsverletzungen beschränkt werden muss und in Zweifelsfällen nicht erfolgen darf. Die Empfehlung sieht jedoch die Möglichkeit für Rechteinhaber:innen vor, bestimmte Inhalte zu kennzeichnen, die ihnen einen “erheblichen wirtschaftlichen Schaden” zufügen könnten. Diese Inhalte müssten Uploadfilter dann automatisiert blockieren, auch wenn sie legal verwendet werden, etwa in Memes als Zitat oder Parodie.
Sebastian Alscher, Vorsitzener der Piratenpartei Deutschland, erklärt zum Leitfaden:
„Wieder wurde in einer letzten Wendung den Interessen der Rechteverwerter:innen weiter nachgegeben und die Rechte der Nutzer:innen eingeschränkt – trotz aller vorheriger Beteuerungen, die Nutzer:innenrechte zu schützen. Nun kann vermeintlich jeder Inhalt als rechteverletztend gekennzeichnet werden, indem man sich auf einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden beruft. Damit erklärt die Kommission in aller Deutlichkeit, dass die Rechte der Nutzer:innen nicht universell gelten, sondern sie von der wirtschaftlichen Bedeutung auf Seiten der Rechteverwerter abhängen. Deutlicher kann man nicht sagen, dass die Freiheiten und Rechte von der Willkür der Unternehmen abhängen. So etwas verspielt die Sympathie für die Staatengemeinschaft bei den Menschen: Der europäische Gedanke wird auf den Schutz von Wirtschaftsinteressen reduziert.“
Patrick Breyer, Europaabgeordneter der Piratenpartei Deutschland, kommentiert die Leitlinie:
“Kurz gefasst sagt die EU-Kommission: Im Zweifel für den Profit und gegen die Meinungsfreiheit. Diese Empfehlung ist unter massivem Lobbyeinfluss zustande gekommen. Die Zivilgesellschaft, die in Europa zu Tausenden gegen diese radikale Einschränkung der Meinungsfreiheit auf die Straße gegangen ist, wird hier erneut vor den Kopf gestoßen. Die versprochene menschliche Überprüfung wird in den meisten Fällen, gerade bei Kommentaren zu aktuellen Ereignissen, zu spät kommen. Es ist nicht akzeptabel, dass fehleranfällige Zensurmaschinen von Internetkonzernen darüber entscheiden, was wir im Netz noch sagen und lesen dürfen. Unsere Meinungsfreiheit ist zu wertvoll, um im Profitinteresse geopfert zu werden. Dafür müssen wir auch bei dem anstehenden Digitale-Dienste-Gesetz kämpfen.”
Hintergrund:
Im Jahr 2019 verabschiedete das Europäische Parlament die umstrittene Urheberrechtsrichtlinie, mit der fehleranfällige Uploadfilter eingeführt wurden, um vermeintlich urheberrechtsverletzende Inhalte auf Online-Plattformen automatisch zu sperren. Die Verhandlungen veranlassten Hunderttausende europäische Bürger:innen, in EU-weiten Demonstrationen gegen das Gesetz zu mobilisieren, um das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung im Internet zu schützen. Die Richtlinie muss bis zum 7. Juni 2021 in allen Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Der Europäische Gerichtshof verhandelt derzeit eine Klage der polnischen Regierung gegen den umstrittenen Artikel 17. Die Stellungnahme des Generalstaatsanwalts des Gerichtshofs wird für diesen Monat erwartet.
[1] Europäische Kommission: Leitfaden zu Artikel 17 der Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (Englisch):
https://digital-strategy.ec.eu