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Die Europäische Kommission überprüft, ob Mitgliedstaaten im Euroraum nach Abschluss eines wirtschaftlichen Anpassungsprogramms konsequent auf Kurs bleiben – und zwar im Interesse sowohl der betroffenen Staaten als auch ihrer Geldgeber. Der Europäische Rechnungshof hat nun Konzeption, Durchführung und Wirksamkeit dieser Überwachung in den fünf Mitgliedstaaten untersucht, die nach der Finanzkrise von 2008 finanzielle Unterstützung erhalten hatten (Irland, Portugal, Spanien, Zypern und Griechenland). Die Prüfer beurteilen die Überwachung zwar als angemessen, bemängeln aber unklare Zielvorgaben sowie fehlende Straffheit und Fokussierung, die die Wirksamkeit der Maßnahme beeinträchtigten. Sie empfehlen eine Überarbeitung der Verfahren und der einschlägigen Rechtsvorschriften. Insbesondere sollten die Überwachungstätigkeiten in das Europäische Semester integriert werden, so die Prüfer.

Im Zeitraum von 2010 bis 2013 wurden Irland, Portugal, Spanien, Zypern und Griechenland mit insgesamt 468,2 Milliarden Euro unterstützt. Nach EU-Recht unterliegen Mitgliedstaaten, die aus einem wirtschaftlichen Anpassungsprogramm ausscheiden, einer besonderen Art von Überwachung. Derzeit betrifft dies Zypern, Irland, Portugal und Spanien. Griechenland hingegen unterliegt der sogenannten verstärkten Überwachung, denn das Land gilt als besonders anfällig für finanzielle Schwierigkeiten, die sich auf andere Mitgliedstaaten im Euroraum ausweiten könnten.

“Die von uns geprüften Tätigkeiten im Rahmen der Überwachung nach Abschluss des Anpassungsprogramms waren zwar zielführend, müssen jedoch optimiert werden”, so Alex Brenninkmeijer, das für den Bericht zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. “Wir denken, dass unsere Arbeit einen Beitrag zu der laufenden Überprüfung der Modalitäten für die wirtschaftspolitische Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion leisten kann. Außerdem könnte sie in die Gestaltung eines etwaigen Überwachungsmechanismus für die Rückzahlung von Darlehen einfließen, die über die Aufbau- und Resilienzfazilität bereitgestellt werden.”

Bis Mai 2021 hätten alle fünf Mitgliedstaaten ihre Rückzahlungsverpflichtungen erfüllt und wieder zu annehmbaren Zinssätzen Zugang zu den Finanzmärkten erhalten, so die Prüfer. Die Überwachung durch die Kommission habe dazu beigetragen, das Vertrauen der Märkte wiederherzustellen. Es gebe jedoch keine Belege dafür, dass sie positive Auswirkungen auf die Umsetzung der Reformen gehabt hätte, was auch auf einen Mangel an Anreizen und wirksamen Instrumenten zur Durchsetzung zurückzuführen sei. Die Prüfer stellten fest, dass sich die Überwachung durch die Kommission zum Teil mit der Überwachung der Rückzahlungsfähigkeit derselben Mitgliedstaaten durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus überschneidet. Zudem gebe es Überschneidungen bei einer Reihe von Tätigkeiten der Kommission, insbesondere zwischen der Überwachung nach Abschluss des Anpassungsprogramms und der Arbeit im Rahmen des Europäischen Semesters.

Die Analysen der Kommission zur Lage der jeweiligen Mitgliedstaaten seien insgesamt von guter Qualität gewesen. Allerdings hätten sich die Berichte nicht ausreichend auf die Rückzahlungsfähigkeit des Staates konzentriert. Die Informationen zur Tilgung von Darlehen seien häufig über den Bericht verstreut gewesen, und man sei auf Schwächen bei den Risikoanalysen zur Rückzahlungsfähigkeit gestoßen. Die Prüfer stellten fest, dass die geltenden Rechtsvorschriften nur wenig Flexibilität bei der Umsetzung ermöglichen: Selbst wenn die Kommission das Rückzahlungsrisiko als gering bewerte, könne sie die Überwachung nicht aussetzen oder die Häufigkeit der Berichterstattung verringern. Ferner habe die Kommission hinsichtlich der vier Mitgliedstaaten, die nach Programmabschluss überwacht werden, nicht ausdrücklich angegeben, welche Strukturreformen sie zu überwachen gedenkt. Es habe Fälle gegeben, in denen sie die Umsetzung von Reformen überwacht habe, die gar nicht zum wirtschaftlichen Anpassungsprogramm gehört hätten.

Mitgliedstaaten, die unter verstärkter Überwachung stehen, müssen Maßnahmen treffen, um Schwachstellen zu beseitigen, und dabei die im Rahmen des Europäischen Semesters gegebenen länderspezifischen Empfehlungen berücksichtigen. Ebenso müssen die Mitgliedstaaten mit Blick auf die kürzlich verabschiedete Aufbau- und Resilienzfazilität erklären, wie ihre entsprechenden Pläne dazu beitragen sollen, die in ihren länderspezifischen Empfehlungen angegebenen Herausforderungen anzugehen. Die Überwachung durch die Kommission dient dazu, die vom Mitgliedstaat erzielten Fortschritte bei der Bewältigung seiner Herausforderungen zu bewerten, und zwar unter Berücksichtigung der länderspezifischen Empfehlungen. Während jedoch ein und dieselbe Taskforce der Kommission sowohl für die Steuerung bei der Umsetzung der Fazilität als auch für die Koordinierung des Europäischen Semesters zuständig ist, zählt die verstärkte Überwachung nicht zu ihren Aufgaben. Nach Ansicht der Prüfer sollte die Kommission darüber nachdenken, die Überwachung nach Abschluss des Anpassungsprogramms wie auch die verstärkte Überwachung in das Europäische Semester aufzunehmen und mit den nationalen Behörden eine detaillierte Liste der weiterzuverfolgenden Reformen zu vereinbaren.

Hintergrundinformationen

Dieser Bericht ergänzt die bisherigen Prüfungstätigkeiten im Bereich der finanziellen Unterstützung von Mitgliedstaaten und der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU (“Sechserpaket”, “Zweierpaket” und Europäisches Semester).

Der Sonderbericht Nr. 18/2021 “Überwachung von Mitgliedstaaten, die ein makroökonomisches Anpassungsprogramm verlassen, durch die Kommission: ein geeignetes Instrument mit Optimierungsbedarf” ist auf der Website des Hofes (eca.europa.eu) abrufbar.

English version: https://www.eca.europa.eu/Lists/ECADocuments/INSR21_18/INSR_PPS_EN.pdf

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