Source: https://sven-giegold.de/vertragsverletzungsverfahren-ezb-urteil/
Heute, am 8. Juni, hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren auf den Weg gebracht. Ein solches Vertragsverletzungsverfahren hatte ich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Anleihekäufen der EZB im vergangenen Jahr von EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen gefordert. Sie hatte mir daraufhin zugesagt, die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens zu prüfen.
Sven Giegold, Sprecher von Bündnis90/Die Grünen im Europäischen Parlament, erklärt dazu:
“Das Vertragsverletzungsverfahren ist der geeignete Weg, um den rechtlichen Konflikt zu lösen. Es geht darum, die europäische Rechtsgemeinschaft zu sichern. Wenn die nationalen Höchstgerichte in einen Wettstreit mit dem Europäischen Gerichtshof treten, wird die europäische Rechtsordnung zum Flickenteppich. Das Vertragsverletzungsverfahren ist keine Strafe für Deutschland, sondern dient zur Beilegung des Streits zwischen den Gerichten. Jetzt kann rechtliche Klarheit geschaffen werden. Die europäische Rechtsgemeinschaft ist das Fundament der europäischen Einigung. Ohne gemeinsame Rechtsprechung funktioniert gemeinsame Politik nicht. Große und kleine Mitgliedstaaten müssen bei der Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit durch die EU gleich behandelt werden. Nationale Abwehrreflexe sind auch in Deutschland unangemessen. Das damalige Urteil aus Karlsruhe war eine Steilvorlage für rechtspopulistische Regierungen. Wenn eine vermeintlich schlechte Begründung durch die EZB schon als Ultra-Vires-Fall gilt, dann bekommen Ungarn und Polen ein mächtiges Instrument gegen das EU-Recht.”
Hintergrund:
Am 5. Mai 2020 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die EZB mit ihrem Anleihekaufprogramm PSPP teilweise ultra vires, also außerhalb ihres in den Europäischen Verträgen definierten Kompetenzbereichs gehandelt habe. Ebenso habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) teilweise ultra vires gehandelt, als dieser zuvor die Rechtmäßigkeit des EZB-Beschlusses zum PSPP bestätigte. Begründet wurde dies mit einer unzureichenden Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die EZB. Das Bundesverfassungsgericht setzte sich damit über den EuGH in einer Frage des Europarechts hinweg. Dies wurde von vielen Beobachtern als ein schwerwiegender Angriff auf die europäische Rechtsgemeinschaft gewertet.
Giegolds Brief an Kommissionspräsidentin von der Leyen vom 9. Mai 2020:
https://sven-giegold.de/brief-an-uvdl-zum-bverfg-urteil/
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