Durch die Machtübernahme der Taliban in ganz Afghanistan sind auch die Ortskräfte der EU-Missionen in Afghanistan akut gefährdet. Es geht um mindestens 600 Ortskräfte und ihre engsten Familienangehörigen der EU-Polizeimission EUPOL, der EU Delegation sowie der European Civil Protection and Humanitarian Aid Operations (ECHO). Während EUPOL praktisch ausschließlich ohne Outsourcing gearbeitet hat, gibt es bei der EU-Delegation und vor allem bei ECHO auch zahlreiche externe Vertrags- und Kooperationspartner*innen, die nun auch gefährdet sind. Innerhalb der EU streitet man sich seit einiger Zeit auch hier um einen Verteilschlüssel, statt den Menschen unbürokratisch Schutz zu gewähren. Deutschland hatte bis letzte Woche lediglich angeboten, einen kleinen Anteil zu übernehmen, der nicht einmal dem eigenen Bevölkerungsanteil in der EU entsprechen würde. Federführend zuständig ist in Deutschland das Auswärtige Amt.
Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament, erklärt:
“Europa muss seiner Verantwortung für die Ortskräfte der EU-Missionen gerecht werden. Statt schnell zu handeln, streiten sich die EU-Kommission und nationale Regierungen über Zuständigkeiten. Es ist erbärmlich, wie sich die EU-Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten die Verantwortung für die Ortskräfte hin und her schieben. Weiterhin fehlt eine wirksame Lösung für die Ortskräfte. Finnland und die Niederlande haben jetzt mit der Hilfe begonnen. Deutschland muss den Ortskräften der EU-Missionen dringend unbürokratischen Schutz anbieten und andere EU-Staaten mit in die Pflicht nehmen. Auch für die Mitarbeitenden der EU-Missionen in Afghanistan brauchen wir eine Luftbrücke. Die folgenlosen Appelle der EU-Kommission an die Mitgliedsstaaten hinter verschlossenen Türen sind völlig unzureichend. Ursula von der Leyen muss die Aufnahme der Ortskräfte durch die EU-Mitgliedsstaaten zur Chefinnensache machen.
Auch in Deutschland herrscht Rosstäuscherei beim Umgang mit den eigenen Ortskräften. Die Bundesregierung verschleiert ihre Tatenlosigkeit hinter einer engen Definition von Ortkräften. Nur direkt Beschäftigte der letzten zwei Jahre bei deutschen öffentlichen Stellen sollen Schutz erhalten, schon Sub-Vertragspartner sind außen vor. Klar ist: Die Taliban interessieren sich nicht für deutsches Arbeitsrecht. Auch die Verteidiger*innen von Menschen- und Frauenrechten, Kunst- und Medienschaffende, die sich auf den Schutz des Westens verlassen haben, verdienen unseren Schutz.”
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P.S.: Europe Calling: “Ortskräfte in Afghanistan – Wie können wir Schutzbedürftige jetzt retten?” – Donnerstag, 19.8.2021, 19 Uhr. Die Lage in Afghanistan spitzt sicher immer weiter zu. Wir diskutieren mit Afghanistan-Expert*innen und Ortskräfte-Netzwerken mit direktem Kontakt ins Land. Seid dabei: Gleich hier anmelden!
Source: https://sven-giegold.de/