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Düsseldorf, 16. August 2021

Anlässlich der Einnahme der afghanischen Hauptstadt Kabul durch die Taliban erklärt die Europaabgeordnete und außenpolitischen Sprecherin der Linken im Europaparlament, Özlem Alev Demirel:

„Der Fall der afghanischen Hauptstadt Kabul an die Taliban hat vor allen Dingen eines überdeutlich vor Augen geführt: Mehr als 20 Jahre Krieg haben lediglich verursacht, dass die Situation im Land noch schlimmer ist als am Anfang. Die westliche Intervention war ein katastrophaler Fehler und es wäre entscheidend, wenn die Verantwortlichen dies endlich klar und deutlich eingestehen würden – auch mit Blick auf die nächste Situation, in der mit völlig irrigen Vorstellungen eine Militärintervention gefordert werden wird.“

Schon bei den Kriegskosten verschlägt es einem den Atem: Allein die USA haben offiziell fast 1.000 Mrd. Dollar ausgegeben (unter Berücksichtigung ausgeklammerter Kosten ergib sich eine mindestens doppelt so hohe Summe). Viel schwerer wiegt aber das Leid, das dieser Krieg verursacht hat und dem viele hunderttausend AfghanInnen zum Opfer gefallen sind (eine wirklich seriöse Schätzung wurde vom Westen nie durchgeführt). Zwar wurden auch viele Milliarden in den sogenannten Aufbau Afghanistans gesteckt, im Schatten der Besatzung hatte sich aber ein Wiederaufbauunwesen breit gemacht, dass dafür sorgte, dass der Großteil davon wirkungslos verpuffte und in die Taschen westlicher Unternehmen wanderte. Im Ergebnis ist die wirtschaftliche und soziale Lage im Land nach 20 Jahren Krieg desolat.

Die Vorstellung, durch die als „Ertüchtigung“ bezeichnete Aufrüstung und Ausbildung der lokalen Sicherheitskräfte das Land unter Kontrolle zu bekommen, hat sich augenscheinlich als irrig herausgestellt – auch die Europäische Union trägt hier mit ihrer offensichtlich ineffizienten EUPOL Afghanistan Mission einen Teil der Verantwortung. Militärische „Lösungen“ können nicht von Außen aufgedrückt werden – schon gar nicht mit Krieg. Sie müssen in einem Land aus der Zivilgesellschaft heraus entwickelt werden. Allerdings gehört es auch zur Wahrheit und der jetzt vielfach angemahnten ehrlichen Aufarbeitung, dass der Westen derlei Bemühungen der afghanischen Zivilgesellschaft durch seine Zusammenarbeit mit den einheimischen Warlords maximal behindert hat.

Es bleibt eine verheerende Lage zurück, wobei sich aber vermeintlich einfache Lösungen, wie die teils nun vernehmbaren Rufe nach einer erneuten westlichen Militärintervention, allein schon vor dem Hintergrund der bisher damit gemachten Erfahrungen verbieten. Auch sonst ist guter Rat teuer, das Mindeste aber, was der Westen tun sollte, wäre es, allen afghanischen Menschen – insbesondere den sogenannten „Ortskräften“ –, die vor der von ihm verschuldeten Lage aus dem Land fliehen, Unterschlupf zu gewähren. Stattdessen wurde schon wieder unter anderem bereits vor Wochen mit der Türkei über die Abschottung verhandelt und spätestens hier offenbart sich neben der militärischen auch die moralische Niederlage, die der Westen in Afghanistan erlitten hat.

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